Achtsamkeit oder Mindfulness sind Modekonzepte zur Zeit. Es gibt Artikel und Posts über das Thema und mehr und mehr Kurse und Workshops über Achtsamkeit werden angeboten. Da ich sie schon in verschiedenen Einträgen empfohlen habe, werden wir sehen, worin Achtsamkeit besteht, welchen Nutzen sie bringt und was ich selbst darüber gelernt habe. Ich werde auch einige Mythen erwähnen, die dich vielleicht zweifeln lassen, ob das Thema etwas für dich ist.
Die Geschichte der Achtsamkeit
Bei Mindfulness oder Achtsamkeit geht es um volles Bewusstsein. Das Konzept stammt aus der buddhistischen Lehre von Siddharta Gautama vor etwa 2500 Jahren. Man könnte sagen, dass Achtsamkeit die westliche Anpassung der damaligen Lehre von Buddha und der Vipassana-Bewegung, sich der Gegenwart bewusst zu sein, ist.
Obwohl es ein relativ neues Konzept in der westlichen Welt scheint, entwickeln klinische Psychologie und Psychiatrie eigentlich schon seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf Achtsamkeit basierende Therapie-Techniken, um Depressionen, Süchte und Stress zu behandeln.
Jon Kabat-Zinn ist einer der weltweiten Vorreiter dafür, Zen-, Yoga- und buddhistische Lehren mit der westlichen Wissenschaft zum Programm “Mindfulness-based Stress Reduction” kombiniert zu haben. Außderm gründete er die Stressbewältigungsklinik und das Zentrum für Mindfulness in der Medizin, Gesundheitswesen und Gesellschaft an der medizinische Fakultät der Universität von Massachusetts.
Aber sogar bevor Jon Kabat-Zinn die Achtsamkeit in die Medizin einbrachte, gründete der vietnamesische Mönch und Zen-Meister Thich Nhat Hanh den Tiep-Hien-Orden (übersetzt Intersein-Orden) 1966 in Frankreich, wo er die “5 Schulungen der Achtsamkeit” unterrichtete. Er hat über 100 Bücher veröffentlicht und sein Leben dem Friedensaktivismus und der Verbreitung von buddhistischen Lehren und Achtsamkeit gewidmet.
Was ist Mindfulness oder Achtsamkeit
Jon Kabat-Zinn hat es so definiert: „Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen“. Es geht also darum, auf unsere Gedanken, Emotionen, Körpergefühle und die Umgebung bewusst, mit Interesse, ohne Urteil, sondern mit Akzeptanz zu achten.
Die Neigung, über Vergangenheit und Zukunft nachzugrübeln
Das Wichtigste des Konzeptes ist, sich dem gegenwärtigen Augenblick aufmerksam bewusst zu sein. Wir neigen aber dazu, über Vergangenheit und Zukunft nachzugrübeln. Wir spielen Kopfkino damit, was uns passiert ist oder was in der Zukunft geschehen könnte oder auch nicht. Und genau dies kann zu einer üblichen Stressquelle werden.
Es kann sich um schlechte Erinnerungen handeln oder ein schlechtes Gewissen über ein Ereignis in der Vergangenheit; oder etwas, das hätte sein können, aber nicht geschehen ist. Vielleicht machen wir auch aus einer Mücke einen Elefanten mit Dingen, vor denen wir Angst haben oder die uns sorgen, aber die sich noch nicht ereignet haben, vielleicht nie passieren werden oder anders geschehen werden, als wir sie uns vorstellen.
Vorteil und Nachteil des Autopiloten
Unser Gehirn hat außerdem die wunderbare Fähigkeit, tausende Anreize, die es täglich erhält, zu filtern und gewisse Aktionen zu automatisieren und verinnerlichen. Stell dir vor, wie du eine Treppe hinuntergehst. Bist du dir schon mal dabei bewusst geworden, was du tatst, und bist fast gestolpert? Der Grund ist, dass es für deinen Körper so ist, als ob er sich fallen lässt. Aber unser Gehirn hat gelernt, die Körperteile so zu koordinieren, dass wir Schritt für Schritt hinuntergehen, anstelle hinunterzustürzen.
Aber bist du schon mal aus dem Auto ausgestiegen, hast es zugemacht und während du dich entferntest, hast du plötzlich überlegt, ob du es wirklich geschlossen hattest? Das ist der nicht so gute Teil der Automatisierung unseres Gehirns, der sogenannte Autopilot. Er kann uns dazu führen, wie ein Roboter durch das Leben zu gehen und die Gegenwart zu verpassen. Ein Tag vergeht wie verschwommen und wir können uns kaum daran erinnern, was wir alles gemacht haben, sind aber erschöpft. Denn wenn wir uns vom Autopiloten führen lassen, trennen wir Geist und Körper.
Der Nutzen der Achtsamkeit
Achtsamkeit lehrt uns Techniken, die uns helfen, den Geist in die Gegenwart zu bringen, indem wir in Einklang mit unseren Körpergefühlen kommen. Denn unser Körper kann weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft, sondern nur im gegenwärtigen Augenblick existieren. Damit lernen wir, bewusster zu leben und auch die kleinen Dinge und was uns so passiert, mehr zu schätzen.
Du wirst sicherlich schon gehört haben, wie nützlich Achtsamkeit für die Stressbewältigung ist. Das ist der Fall, weil die verschiedenen Techniken und Übungen Selbstkontrolle und Geduld, Akzeptanz und Widerstandsfähigkeit, ja sogar Dankbarkeit beibringen. Außerdem trainiert man Konzentrationsfähigkeit, Selbstbewusstsein und Selbstkenntnis. Diese bessere Kenntnis gebündelt mit Akzeptanz und Geduld werden uns auch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen helfen. Des Weiteren kann Achtsamkeit die Kreativität steigern, da ein ruhiger Geist besser auf neue Ideen kommen kann.
Was ich mit Hilfe der Achtsamkeit gelernt habe
Lass mich erzählen, wie ich die Achtsamkeit entdeckt habe und was es mir gebracht hat. Ich hatte mehrere Artikel und Posts im Internet über das Thema gelesen und es hatte meine Neugier erregt. Als ich also auf einen kostenlosen Workshop über Achtsamkeit stieß, meldete ich mich an, um mehr zu erfahren. Der Lehrer erklärte uns das Konzept und bewies es uns mit praktischen Beispielen. Was er uns erzählte, beeindruckte mich und öffnete mir die Augen.
Bei dieser Art von Unterricht ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass der Lehrer Vertrauen und Sympathie erweckt. Da mir dieser Lehrer ein gutes Gefühl gab, schrieb ich mich für einen achtwöchigen Kurs ein. Ich bin dankbar, mich kopfüber hineingestürzt zu haben, da es mir vor allem geholfen hat, geduldiger zu sein und dass mich potenziell stressige Situationen weniger auf die Palme bringen.
Denn ich muss zugeben, dass ich eine gewisse Tendenz zu Stress durch Machtlosigkeit habe, d.h. ich stresse mich zum Beispiel, wenn ich auf die Arbeit von anderen warten muss oder jemand etwas nicht so macht, wie ich es tun würde. Jetzt gehe ich damit viel besser um. Nebenbei helfen mir einige der Achtsamkeitsübungen, Verspannungen im Rücken nach einem Tag vor dem Computer zu lindern.
Wie schnell spürt man die Auswirkungen?
Falls du dir diese Frage stellst, ist die Antwort schnell und langsam zugleich. Es handelt sich nicht um eine wundersame Impfung, die du einmal erhältst und dann war es das. Obwohl man einige positive Wirkungen recht schnell bemerkt, liegt der wirkliche Nutzen in der Beständigkeit und Gewohnheit.
Wenn du also überlegst, einen Kurs zu machen, berücksichtige, dass die Geschichte nicht endet, wenn der Unterricht vorbei ist. Vielmehr fängt sie da an. Denn es geht darum, neue wohltuende und gesunde Gewohnheiten zu erlernen, in den Alltag aufzunehmen und langfristig aufrechtzuerhalten.
Insofern du also einen Kurs machen möchtest, empfehle ich dir einen mehrwöchigen, anstelle eines Intensiv-Wochenendkurses. Man geht davon aus, dass man ein bis zwei Monate braucht, um eine neue Angewohnheit zu erwerben. Hier wird dir ein mehrwöchiger Kurs helfen, dich nach und nach einzugewöhnen.
Empfehlungen, um mit Achtsamkeit anzufangen
In der westlichen Welt haben wir gelernt, ständig etwas zu tun und dass unser Wert durch unsere Leistungen definiert ist. Achtsamkeit lehrt dir aber, dass die Menschen wertvoll sind, nur weil sie lebendig sind und atmen. Du wirst lernen, es zu genießen, nur einfach zu sein, ohne mehr zu tun, als zu atmen.
Wenn wir anfangen zu üben und neue Eindrücke experimentieren, wird unser Geist unvermeidlich abschweifen und uns mit Gedanken bombardieren: “Ist das kompliziert!”, “Ist das anstrengend.” “Wie lange muss ich durchhalten?” “Mir juckt die Nase und ich will mich kratzen.” “Mir schmerzt der Rücken.” und eine lange Liste anderer Ausreden. Es kann auch sein, dass unser lieber Kopf uns an Dinge erinnert, die wir tun sollten, die wir vergessen haben oder die viel lustiger wären.
Deshalb ist es maßgebend, Geduld und Mitgefühl mit uns selbst zu haben. Es ist auch wichtig zu lernen, negative Gedanken oder Ablenkungen zu ignorieren und sie zu akzeptieren, ohne ihnen größere Beachtung zu schenken. Erinnere dich an den Satz von Jon Kabat-Zinn. Es geht darum, aufmerksam zu sein, aber ohne zu urteilen und über die Dinge nachzugrübeln, die uns durch den Kopf gehen. Also akzeptiere die Gedanken und lass sie durchströmen.
Einige Mythen über Achtsamkeit
An Nichts denken
Achtsamkeit und die zugehörigen Meditationstechniken bringen dir nicht bei, an Nichts zu denken. Denn es ist eigentlich praktisch unmöglich aufzuhören, zu denken. Im Gegenteil geht es darum, zu lernen, bewusst auf Gedanken, Emotionen und Körpergefühle zu achten, ohne sie zu beurteilen, sondern sie durchströmen zu lassen, bis sie wieder verschwinden.
Damit es nützlich ist, muss man mindestens eine halbe Stunde meditieren
Nun gibt es Empfehlungen, nach denen man mindestens eine halbe Stunde oder sogar ein Stunde täglich üben muss. Das kann uns natürlich zur perfekten Ausrede führen, dass wir keine Zeit für diese neue Angewohnheit haben. Aber in der Tat kann man mit nur fünf Minuten am Tag schon positive Auswirkungen bemerken.
Am Anfang finde ich es zwar empfehlenswert die Übungen nach und nach zu verlängern, um sich einzuüben und einzugewöhnen. Aber danach sollten wir selbst die Dauer herausfinden, die für uns nützlich und praktisch ist. Damit schaffst du es, die Übungen in deinen Lebensstil aufzunehmen und nicht aus Zeitgründen aufzugeben.
Es ist eine Religion
Obwohl die Achtsamkeit von buddhistischen Lehren abstammt, muss man nicht an diese Religion oder an mystische oder transzendentale Erfahrungen glauben. Mindfulness such nicht die Erleuchtung oder einen Zustand veränderten Bewusstseins.
Es ist eine Entspannungstechnik
Obgleich Entspannung und Stressabbau üblicherweise Auswirkungen der Achtsamkeitsübung sind, ist es an sich nicht das Ziel. Der Zweck ist zu lernen, bewusster und achtsamer die Gegenwart zu erleben, mit Akzeptanz und ohne Urteile oder Vorurteile.
Es gibt noch weitere Mythen. Aber ich wollte nur ein paar Beispiele nennen, die dich vielleicht bisher von der Achtsamkeit abgehalten haben.
Bist du bereit, achtsamer zu leben?
Wie du siehst, hat Achtsamkeit viele nützliche Auswirkungen. Außerdem erfordert sie nicht viel Zeit, um positive Effekte auf dein Leben zu haben. In einem anderen Eintrag werden wir uns genauer Techniken und Übungen anschauen.
Währenddessen würde ich gern wissen, ob du schon achtsam lebst und was es dir bringt. Oder ob du überlegst, anzufangen, aber dich etwas zurückhält. Vielleicht eine der erwähnten Mythen oder eine mögliche Mythe, die ich nicht erwähnt habe?
Sharing is caring!