Was ist Assertivität?
Assertivität stammt von dem lateinischen Wort „assertio“ für Behauptung oder Meinungsäußerung. Es geht darum, unsere Rechte und Blickpunkte zu kennen und respektvoll zu verteidigen. Wir sprechen also von Selbstbehauptung und Durchsetzungsvermögen, aber unter Rücksicht der Rechte, Meinungen und Gefühle anderer.
So weit so gut, aber in der Praxis können wir Probleme mit dem einen oder anderen Aspekt haben; sei es unsere Rechte zu kennen, sei es, uns zu trauen, unsere Rechte oder Meinungen zu vertreten, oder sei es, dies respektvoll und höflich zu tun.
Zu welcher Seite der Waage neigst du?
Es hängt von unserem Charakter, Selbstvertrauen und Kommunikationsfähigkeiten ab, wie wir mit potenziell konfliktgeladenen Situationen begegnen. Aber es kann auch von Situation und Umfeld abhängen. Möglicherweise fällt es uns nicht schwer, um eine Sache zu bitten, weil nicht viel auf dem Spiel steht oder weil wir es für eine gute Sache verlangen. Aber wenn es darum geht, “nein” zu einem Kollegen oder Chef zu sagen oder etwa eine Gehaltserhöhung zu fordern, kann uns die Assertivität verlassen.
Die Assertivität ist die goldene Mitte zwischen Passivität und Aggressivität und, wie erwähnt, können wir zur einen oder anderen Seite der Waage neigen.
Passivität
Auf dieser Seite finden wir Personen, die ihre Meinung oder Rechte aus fehlendem Wissen, Unsicherheit oder Angst nicht verteidigen. Sie trauen sich also nicht, “nein” zu Dingen zu sagen, die ihnen zum Beispiel nicht gefallen, in ihre Intimsphäre eindringen, ihren Wertvorstellungen widersprechen oder ihre Produktivität oder Leistung beeinträchtigen.
Aggressivität
Auf der anderen Seite finden wir Personen, die ihre Meinung aufzwingen. Sie verteidigen ihre Rechte, aber ohne Rücksicht auf andere. Sie sind überzeugend, aber wirken streng oder unhöflich. Ein starker Charakter und Temperament lassen sie keine Angst davor haben, nein zu sagen. Aber die andere Person kann sich beleidigt oder wie vor den Kopf gestoßen fühlen.
Was bedeutet es also, die Assertivität anzuwenden
Für mich heißt es, mit anderen Personen umzugehen, ohne uns unterdrücken zu lassen oder andere zu unterdrücken. Es geht darum, unseren Blickpunkt und unsere Gefühle höflich auszudrücken. Auf die Arbeitswelt angewendet, wo das Konzept ein Modewort ist, bedeutet es auch, Respekt für deine Arbeit und Zeit durchzusetzen. Damit möchte ich sagen, dass ich es wichtig finde zu lernen, so zu reagieren, dass wir weder in das Extrem fallen, den Kopf einzuziehen und zu allem ja zu sagen, auf die Gefahr hin, uns zu überlasten, noch andere Personen mit barschen Reaktionen vor den Kopf zu stoßen.
Die Bestandteile eines bestimmten und effektiven Gesprächs
Ein Gespräch mit Assertivität zeichnet sich dadurch aus zu sagen, was wir über eine Situation denken und fühlen. Aber es heißt auch, es der passenden Person im geeigneten Moment und Zusammenhang zu sagen. All dies mit höchstem Respekt und dem Bewusstsein, dass es eine Wirkung auf die andere Person haben wird. Allerdings auch ohne uns dafür schuldig zu fühlen, unsere Meinung und Gefühle auszudrücken.
Dafür beschreiben wir die Situation, welche Gefühle sie uns verursacht und was wir darüber denken. Danach erklären wir, wie wir die Situation lösen möchten. Zum Abschluss fragen wir die andere Person, was sie meint und in dem Zusammenhang tun wird.
Nehmen wir das Beispiel eines Kollegen, der öfter spät zu deinen Besprechungen kommt. Die passive Reaktion wäre, nichts zu sagen, sich aber zu ärgern. Die aggressive Weise könnte sein, vor allen Leuten zu sagen “Schon wieder spät?” oder ihn/sie hinterher zu fragen “Warum musst du immer zu spät kommen?”.
Nun, Assertivität wäre, sich der Person allein nach der Besprechung zu nähern und zu sagen: “Es ist nicht das erste Mal, dass du spät zu einer Besprechung kommst. Das ärgert mich, weil ich das Gefühl habe, dass du die Besprechung nicht als wichtig ansiehst, und ich es persönlich als unhöflich gegenüber den anderen Teilnehmern finde. Deshalb würde ich es sehr schätzen, wenn du das nächste Mal versuchen würdest, pünktlich zu sein oder Bescheid zu geben, wenn du dich verspätest. Was denkst du?”
Was tun, wenn wir kalt erwischt werden
Allerdings benötigen wir die Assertivität auch in Situationen, die nicht ideal sind, weil wir “überfallen” und in unserer Arbeit unterbrochen werden. Aber selbst unter diesen Umständen, in denen wir Rücksicht auf unsere Arbeit und Zeit verlangen wollen, können wir mit der anderen Person respektvoll und höflich umgehen.
In diesem Fall ist es nützlich, unsere Gefühle in der ersten Person auszudrücken, da wir damit dem anderen nicht die Schuld zuschieben und ihn/sie in die Defensive treiben, sondern nur erklären, wie uns die Situation betrifft. Aber erinnere dich daran, nicht nur zu erklären, wie du dich fühlst, sondern auch, wie du das Problem lösen möchtest.
Vorher erwähnte ich, dass unser Charakter und die verfügbaren Mittel, um einer Situation entgegenzutreten, unsere Reaktion beeinflussen. Deshalb werden wir im Folgenden einige weitere Tipps sehen, je nach der Seite der Waage zu der du neigst.
Tipps, wenn du zur Aggressivität neigst
Wenn wir ungeduldig, schroff oder aggressiv reagieren, können wir die Gefühle anderer verletzen. Abgesehen davon, dass wir der Beziehung mit der entsprechenden Person schaden, ist es wahrscheinlich, dass du dich nach deiner Entgleisung schuldig fühlst und ein schlechtes Gewissen hast.
Deshalb schlage ich vor, dass du dir in einer stressigen und konfliktgeladenen Situation einen Moment nimmst, um tief durchzuatmen. Dies wird dir einen Augenblick geben, über die Antwort nachzudenken und den Weg zu suchen, auf höfliche und respektvolle Weise zu reagieren.
Lerne dich besser kennen
Über die unmittelbare Situation hinaus, empfehle ich dir, die Ursache für deine Ungeduld oder Aggressivität zu hinterfragen. Um dich besser kennen zu lernen und an deiner Geduld zu arbeiten, schlage ich dir vor, Achtsamkeit oder Kontemplation zu üben. Mir selbst hat es geholfen. Prüfe auch deinen Stresspegel und den Bedarf, Stressbewältigungstechniken in deine Routine aufzunehmen.
Desweiteren schlage ich vor, deine Empathie zu prüfen. Denn es ist gut und schön, unsere Rechte zu verteidigen, sollte aber nicht auf Kosten anderer und ihrer Gefühle sein. Zu erkennen und verstehen, wie sich andere fühlen und warum sie sich auf gewisse Art verhalten, kann uns daher helfen, auf respektvollere Weise zu reagieren.
Tipps, wenn du zur Passivität neigst
Wenn wir zur anderen Seite der Waage neigen, das heißt der Passivität, ist es wahrscheinlicher, dass wir unser Missbehagen oder Ärger auf uns selbst richten. Nachdem wir uns erneut von etwas überzeugen lassen haben, dass wir nicht wollten, oder wieder die Gelegenheit verpasst haben, unsere Meinung zu sagen, stauchen wir uns möglicherweise selbst zusammen, weil wir uns auf die Füße treten lassen haben.
Ich denke, die Lösung ist, einerseits an unserem Selbstwertgefühl zu arbeiten und andererseits zu überlegen, was uns daran Angst einflößt, unsere Meinung und Gefühle auszudrücken. Versetze dich sogar in die Situation, was das schlimmste sein kann, dass hätte passieren können, wenn du in der Situation deine Rechte und Meinung vertreten hättest.
Trainiere deine Assertivität mit kleinen Experimenten
Um deine Assertivität zu verbessern, kann es auch eine gute Idee sein, in weniger wichtigen Situationen zu üben. Du traust dich normalerweise nicht, eine Speise in einem Restaurant zurückzugeben, die dir nicht schmeckt? Verlange das nächste Mal einen Tausch. Wenn du sowieso dafür bezahlen wirst, ist der einzige Benachteiligte, nichts zu sagen, nur du selbst.
Es drängelt sich jemand an der Kasse vor und du würdest es sein lassen? Möglicherweise wirst du versuchen, dich davon zu überzeugen, dass es halb so schlimm ist. Aber in deinem Inneren grummelst du wahrscheinlich und bist sauer. Versuche also das nächste Mal, höflich zu sagen, dass du denkst, dass du vorher dran warst. Und erschrecke nicht, wenn die andere Person unhöflich reagiert. Du kennst sie eh nicht und wirst sie wahrscheinlich nicht wieder sehen. Erinnere dich nur an das Gefühl, dass du dich getraut hast, etwas zu sagen.
Diese kleinen Experimente können dich für wichtigere Situationen trainieren.
Wenn es um wichtige Gespräche geht, empfehle ich dir, den Dialog zu proben. Wenn es du es mit einer vertrauten Person machen kannst, noch besser. Versuche, an alle möglichen Erwiderungen zu denken, die du erhalten kannst, um die passenden Argumente parat zu haben.
Suche die goldene Mitte der Assertivität in deinen Gesprächen
Ich hoffe, diese Tipps helfen dir, deine Assertivität zu trainieren.
Verhältst du dich im Alltag mit Assertivität? Hängt es von der Situation ab? In welchen Situationen fällt es dir schwerer und warum denkst du, ist das so?
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2 Antworten
Liebe Dorit,
danke, dass Du mir diesen Artikel empfohlen hast. Ich kannte den Ausdruck Assertivtität noch nicht. In Konfliktsituationen neige ich eher zu Passivität, deshalb finde ich Deinen Ansatz spannend und die vielen Tipps hilfreich. Demnächst werde ich mich in Assertivität üben und versuchen, meine Sicht der Welt häufiger auszudrücken 🙂
Herzliche Grüße
Rebecca
Liebe Rebecca,
es freut mich sehr, dass dir der Ansatz „Assertivität“ gefallen hat. Ich hoffe sehr, dass dir die Tipps hilfreich für deinen Alltag sind. Vielen Dank für deinen Kommentar!